Fabulwinter 01 – Man sah den Mond damals. Damals
6. November 2474
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Die Einträge von Luise, unserer Nachfolgerin Nummer 10 im Netzwerk, sind knapp.
Sie hinterließ nur eine Arbeit: Die Seele Asiens aus dem Jahr 2207.
Luise erlebte den Beginn der Großen Flut in Asien. Später schrieb sie, dass sie nun nicht mehr arbeiten wolle, weil sie keine Katastrophenbilder malen möchte.
In mein Gehirn wurden alle Erinnerungen meiner Vorgängerinnen übertragen und die Bilder von Luise und der Großen Flut drängen sich immer wieder in mein Bewusstsein.
Ich male sie. Versuche sie zu bannen.
Umzuwandeln. Quälend oft.
Und doch beneide ich Luise um ihre Erlebnisse, denn sie konnte sich noch unter freiem Himmel bewegen.
Heute leben wir in klimatisierten künstlichen Welten.
Schöne Welten.
Perfekte Welten.
Ich habe die Sonne noch nie gesehen.
Es schneit fast immer. Es herrscht Fabulwinter.
Unsere Technik ist soweit ausgereift, so dass wir sehr gut leben können, aber ich sehne mich danach im Freien herumzustreifen, so wie es meine Vorgängerinnen überliefert haben.
Sonne, Regen, Sturm und Schnee sollen sich früher abgewechselt haben.
Heute sind alle Tage gleich.
Aber ich hörte davon, dass es in den Bergen Tage geben soll, an denen die Sonne durch die Wolkendecke bricht. Weit oben, in großer Höhe, soll man das erleben. Mit etwas Glück, so sagen einige Unerschrockene.
Es ist kalt da draußen.
Es hat um die minus fünfzig Grad.
Ich muss es versuchen.
Ich träume davon, die Sonne zu sehen.