Lost to regain – Zeitlinien

Marie Nachfolgerin 08, XX. XX. XXXX

Ich geriet vergangene Woche in eine Zeitanomalie. Ich kann deshalb kein Datum für diesen Beitrag nennen. Und ich kann das auch erst jetzt erzählen, weil ich noch nachdenken wollte. Ich musste erst hier in der schon bekannten Wohnung in Berlin wieder zur Ruhe kommen. Manches gelingt nicht während des Gehens.

Aber nun bin ich mir sicher. Und nun ist mir auch klar woher die anderen Gastbeiträge kommen. Ich geriet in eine andere Zeitlinie, oder besser, ich pendle immer wieder zwischen zwei Zeitlinien (oder sind es mehr?). Immer befällt mich dann dieser weiche, fast schwindelartige Zustand. Nur kurz, so als ob es mich leicht versetzen würde im Raum. Ähnlich wie das Versinken im Baum am ersten Tag dieser Reise. Dort, in der Grünanlage Jena Paradies.

Und diese Versetzungen kamen immer wieder und besonders stark war das, als ich diese zweite Wandzeichnung fand. In einem verlassenen Haus am Wegesrand. Und ich zeige sie noch einmal größer, weil sie so zart ist, und zeige sie jetzt innerhalb der Zeitlinie, in der ich gerade eben schreibe. Doch eigentlich sah ich sie außerhalb der Zeit. Sah die gesamte Vergangenheit und die Zukunft all jener Figuren meiner Geschichte, die ich glaubte zu erfinden.
Aber nun weiß ich, nichts ist erfunden. Alles ist wahr.

Zeitlinien

Ich bin Nachfolgerin 08. Und ich kenne nun die Lebensgeschichten all meiner Vorfiguren und Nachfolgerinnen. Die Geschichte der letzten unserer Reihe, Marie 23, eine Fortführung einer Romanfigur von Michel Houellebecq, schrieb und malte ich für das Hidden Museum meines Künstlerfreundes Bernhard Kathan. Sie war unglücklich. Ihre Geschichte endet unklar. Doch sie hinterließ den mich tief berührenden Satz:

In einer perfektionierten Welt ist das Schöpferische sinnlos.

Wir alle, die wir ihre Vorgängerinnen waren, wollten immer künstlerisch tätig sein. Und es liegt nun an mir zu entscheiden, ob diese Marie 23 überhaupt existieren wird. Denn ich kann die Existenz der Nachfolgerinnen durchbrechen, wenn ich dafür sorge, dass von mir aus nicht geklont werden wird.
Obwohl es dann natürlich immer noch Paralleluniversen gibt, so nennt man die sowohl in der Wissenschaft als auch in der science fiction Literatur. Ich nenne sie Zeitlinien, die minimal versetzt den Raum beschreibend wahrgenommen werden. Nicht ablaufen, denn sie sind bereits. Es sind Linien im Raum. Eine Zeichnung des Seins.

Kann ich eine Möglichkeit finden, so zu agieren, dass alle diese Möglichkeiten zugleich sich ändern? Darüber denke ich nach. Und habe auch so eine leise Idee, wie das gelingen könnte. Aber sie ist riskant.

Ich muss mich jemandem anvertrauen. Jemanden, der notfalls alles überliefert, im Falle ich das nicht mehr machen kann, weil ich selbst damit womöglich aus jeglicher Zeitlinie falle. Und doch möchte ich, dass alles überliefert wird, denn es sollte erzählt werden, welche Gefahr unsere jetzige Zeitlinie in sich birgt.

Und ich habe ihn getroffen.
Hier im Park in Alt Treptow. Er ist bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Wir werden einige Tage brauchen, bis ich ihm alles erzählt habe. Erzählt bis hierher. Über das Später kann ich noch nicht entscheiden.

Im Park



Marie Nachfolgerin 08, XX. XX. XXXX


Ein Kommentar

  • Helmu tSchiestl sagt:

    Kennst Du eigentlich das Buch DER STOFF, AUS DEM DER KOSMOS IST von Brian Greene. Es behandelt Raum, Zeit und die Beschaffenheit der Wirklichkeit auf eine sehr verständliche und einfühlsame Weise und ist bei Goldmann erschienen. ISBN: 978-3-442-15487-6. Lese es gerade und kann es Dir sehr empehlen. Vielelicht auch als Urlaubslekütre, da es uzwar ein dickes Taschenbuch, aber nicht sehr schwer ist.

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